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Erläuterung Dominanzsystem

Eberhard Jurgalski

GIPFELLISTEN DAMALS UND HEUTE

Als der Österreicher Karl Blodig am 9. August 1911 alle 68 Alpen-Viertausender seiner Liste bestiegen hatte, wusste er noch nicht, dass er, um die Vollständigkeit seiner Sammlung zu verteidigen, 1932 im Alter von fast 73 Jahren noch einmal eine schwere Tour bewältigen musste. Jemand hatte die Aiguille du Jardin als „selbständig“ erklärt und so kam es zu der grossartigen Solobesteigung dieses Gipfels. Hier wurde deutlich, dass die Definition, was denn ein „richtiger“ Viertausender war, ein Problem darstellte.

Zu dieser Zeit gingen die Geister des Bergsteigens und der Geographie noch Hand in Hand. In Hochasien war noch fast alles Neuland. Viele Entdecker waren gleichzeitig Bergsteiger, Chronisten und Geographen. Und die Geographen zuhause warteten sehnsüchtig auf die Panoramen der Erstbesteiger. Die Briten Sidney Gerald Burrard und Henry Hunter Hayden stellten die ersten Gipfellisten für Hochasien in ihrem Werk „A Sketch of the Geography and Geology of the Himalayan Mountains and Tibet” (Calcutta 1907/08) vor.

Nachdem Günter Oskar Dyhrenfurth 1930 den Jongsang Peak bestiegen hatte, begann er Siebentausender-Gipfellisten zu erstellen. Schon damals unterschied er sehr wohl Berge, Haupt- und Nebengipfel durch die jeweiligen Schartentiefen. Im selben Jahr geschah etwas Ähnliches mit den Mittelgebirgen in Schottland. Nachdem Hugh Munro seine bekannte Liste aller 3000er (Fußhöhe) in Schottland etabliert hatte, ging John Rooke Corbett einen Schritt weiter. Er stellte eine Liste mit allen schottischen Bergen von 2500 bis 3000 Fuß zusammen, mit einem „drop on all sides“ von 500 Fuß (152 m), und bestieg sie auch. Hier begann praktisch bereits die Idee, Gipfel nach anderen Kriterien, als nur nach der puren Meereshöhe zu besteigen oder zu erwandern.

Im Jahre 1938 veröffentlichte Kenneth Mason die „Karakoram Nomenclature“. Das war eine Berg- und Gipfelsammlung, die für die damalige Zeit sicher vorzüglich war. Neben einigen Irrtümern hatte sie jedoch auch den Mangel, dass sie kaum eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebengipfeln traf, weil das Kriterium „Schartentiefe“ nicht zur Anwendung kam. Für die Hochgebirge war Günter Oskar Dyhrenfurth bis in die 1960er Jahre der einzige, der dieses Kriterium erwähnte und auch anwandte. Mit seinem späteren Mitarbeiter Anders Bolinder brachte er in den vorzüglichen Bänden „Berge der Welt“ von der „Schweizerischen Stiftung für Alpine Forschungen“ die in dieser Zeit korrektesten Siebentausenderlisten heraus. Nach seinem Tod führte Anders Bolinder diese Ideen weiter. Auch der polnische Geograph Jerzy Wala erstellte neben ausführlichen Kammverlaufkarten Siebentausenderlisten vom Karakorum und Sechstausenderlisten vom Hindukush . Die spätere „Classification of the Himalayas“, von H. Adams Carter 1985 im AAJ Vol. 27/Issue 59, Seiten 109-141 veröffentlicht , machte leider auch keinen Unterschied zwischen Bergen und Graterhebungen, ja, in dieser Liste befanden sich irrtümlicherweise sogar einige Pässe als Berge, weil leider keine Zeit zur Verifizierung zur Verfügung stand.

Eigentlich trieben nur die „Fellgrabber“ in England, Schottland und Wales diese Idee voran. Viel später wurden sogar alle Punkte in Grossbritannien bis zu 15 m Schartentiefe aufgelistet und erwandert (fellgrabbing). Alan Dawson, der die anerkanntesten Serien-Besteigungslisten in Großbritannien aufgestellt hat , alle Gipfel mit über 30 Meter „drop“ (HEWITTS), und über 150 m „drop“ (MARYLINS), hat den Autor gefragt, ob es in Deutschland auch „fellgrabber“ nach ähnlichen Maßstäben gebe. Nun, was nicht ist, kann ja noch werden. Die Briten sind, was ihre eigene doch in globalem Maßstab recht bescheidene Bergwelt betrifft, sehr detailverliebt und wander- und klettermotiviert. Auf den „Ordnance Survey“-Karten sind auch alle tiefsten Punkte zwischen den Gipfeln vermessen und vermerkt. Das würde sich der Autor von nahezu allen anderen Kartenproduzenten auch wünschen. Wieviel 10 bis 100 Jahre alte überholte Höhenangaben es in Atlanten, auf kommerziellen Straßenkarten und in weltweiten Kletterführern gibt, darüber schweigt der Autor an dieser Stelle, weil es einfach zu weit führen würde, da sehr viele Berge, auch an den Ländergrenzen der Alpen, mehrere verschiedene Höhenangaben haben. 

Der Autor lernte Anders Bolinder 1982 kennen, und die wenigen Besuche und die ausführliche Korrespondenz bestärkten ihn in seinem Engagement für die Bergwelt und die Bergbegeisterten. Mit Mut und Enthusiasmus begann er bald, die Gipfellisten zu modifizieren und versuchte später ein weltweit anwendbares Einteilungssystem zu entwickeln. Es wurde erkannt, dass außer dem Definieren von Haupt- und Nebengipfeln auch die Gesamteinteilungen von Gebirgen nach den Oberflächenformen oft nicht logisch erschienen, und deswegen auch völlig neu überdacht werden sollten. Als Trennungspunkte von „Gebirgseinheiten“ dienten Flüsse und die jeweils tiefsten Gratpunkte zum nächsthöheren Berg auf dem höchsten verbindenden Grat (Bestes Beispiel für den „höchsten verbindenden Grat“ ist Orizaba in Mexiko.). Der nächsthöhere Berg ist in Südamerika, jedoch ist die Separation am Panamakanal grösser als die zum entfernteren Logan, wodurch sich die Kenntnis über den „Bezugsberg“ als äußerst wichtig herausstellt.) Weder politische, geologische noch andere willkürliche landschaftsgeographische Abtrennungen sind geeignet. Nur ein streng orographisches System kann hier Abhilfe schaffen.

Im Frühling 2000 erfuhr der Autor von den Entwicklungen zu diesem Gebiet in Amerika. Schon in den 1960ern berechneten die „Colorado-Fourteener-Completer“ die „Saddle-drops“ und erstellten entsprechende Besteigungslisten. Steve Fry nannte dieses Kriterium 1981 „Prominence“ (P), und diese Wortschöpfung wurde in der Ausgabe Januar/Februar 1987 vom „Summit“-Magazin erstmals veröffentlicht, sogar mit bestimmten Prominenz-Grenzen für „Super-Mountains“ und „Ultra-Mountains“. Das Wort „Prominenz“ hat sich heute in den interessierten Kreisen bereits etabliert. Einige andere Hobby-Geographen hatten vorher und nachher andere Bezeichnungen, (hier sind einige noch nicht erwähnte Beispiele : „Height-difference“, „Re-height“, „Re-ascent“, „vertical rise“, „independence“, „primary factor“ und andere), aber das lateinische Wort für „herausragen“ ist wohl am Besten geeignet. Hier gibt es nun auch eine wichtige Grundregel. Die Prominenz eines Berges oder Gipfels wird nur durch einen bestimmten Pass, Sattel oder Punkt berechnet.

Seit einigen Jahren werden nun in Amerika „prominence-lists“ erstellt und viele Bergsteiger finden es nun interessanter, die „prominentesten“ Berge eines Gebietes zu besteigen und solche Listen zu „komplettieren“ als nur alle Punkte über einer Meereshöhe zu erklettern, die eine „magische“ Tausendergrenze überschreitet, oder die höchsten Punkte innerhalb politischer Grenzen zu komplettieren, auch wenn es sich zum Teil um Nebengipfel von Bergen handelt, deren höchste Punkte sich auf der anderen Seite der politischen „Einheiten“ befinden. Der nächste Schritt in Amerika war nun, die „prominentesten“ Berge der - wiederum - politischen Einheiten zu besteigen und darüber Listen zu führen.

Pioniere in Amerika beim „Prominenzen finden“ sind neben Steve Fry vor allem Steve Gruhn, Jeff Howbert, Andy Martin, David Metzler, Carl Mills, David Olson, John Roper, Roy Schweiker, Greg Slayden und Ron Tagliapietra. Ganz besonders hervorgetan hat sich der junge Mathematik-Professor Edward Earl, der die erste „Prominence“-Webseite herausgebracht (http://www.k-online.com/~esquared/outdoor/prominence/index.htm) hat und im August 2000 eine „Prominence-E-Group“ gegründet hat, in der das Thema „prominence“ seriös und ausführlich diskutiert wird und neu herausgefundene Prominenzen mitgeteilt werden. Diese E-Group diskutiert auch noch andere mögliche Kriterien, wie z. B. Steilheit (steepness), oder auch der optische Eindruck (impressiveness) wird neuerdings mit komplizierten Formeln berechnet und gewertet. Den Listenliebhabern sind also kaum Grenzen gesetzt.

Der Schotte John Biggar hat im Alleingang alle Prominenzen der südamerikanischen 6000er herausgefunden. Für Skandinavien hat Petter Bjørstad sehr viele Prominenzen herausgefunden. Der Slowene Vasja Kavćić hat im Jahr 2003 die wichtigsten Prominenzen seiner Heimat beigesteuert. Der Autor hat besonders Hochasien und die Alpen ausgearbeitet, aber auch die Hohe Tatra und in Koproduktion mit dem baskischen Gebirgs-Chronisten und -kenner Xavier Eguskitza zahlreiche Prominenzen der Pyrenäen und der ganzen iberischen Halbinsel herausgefunden. Auch Parys Lisiecki hat sehr viel iberische Prominenzen berechnet. Im Magazin „Pyrenaica“ kam 2001 ein Bericht über das „Prominenz-Prinzip“ heraus, bei dem der Autor mitgewirkt hat. Im Laufe der Zeit sind viele Ergänzungen zu obengenannten Beispielen vom Autor gemacht worden und einige interessante lokale, kontinentale und globale Besteigungsserienvorschläge entwickelt worden, die auf einem neuen Einteilungssystem basieren. 

 

SYSTEMBESCHREIBUNG

Doch auch die „Prominenz“ eines Berges hat unterschiedliche Bedeutung. Der Mount Mitchell beispielsweise hat bei 2037 m Meereshöhe 1856 m Prominenz und ist der höchste Berg des Appalachen-Gebirgskomplexes. Ein Berg mit dieser Prominenz in Hochasien (z. B. Baintha Brakk oder „Ogre“ im Karakoram mit 7285 m Meereshöhe 1878 m Prominenz) ist höchstens der Hauptberg einer Kette oder eines Gebietes. Der Autor führte nach diesen Erkenntnissen Höhenklassen (Altitude Classes / AC) und proportionale Prominenz ein, die er als „Orographische Dominanz“ (OD) bezeichnete. Sie berechnet sich einfach, aber treffend: (Prominenz/Meereshöhe x 100). Durch dieses neue Kriterium ergibt sich der Prozentsatz der Selbständigkeit jeder Erhebung, egal , welche Meereshöhe, welche Prominenz, oder welcher "Gebirgstyp“ (aussergewöhnliche Beispiele: Über 4000 Meter hohe bewaldete Himalaya-„foothills“, unter 1500 Meter hohe vergletscherte Felsgiganten in Norwegen, isolierte Vulkane oder auch „Hochplateauhügel“), die „Dominanz“ wird jeder Erhebung gerecht. Vom wissenschaftlichen Standpunkt kann man durchaus behaupten, dass die Meereshöhe die „These“ repräsentiert, die Prominenz ist die „Antithese“ und die Dominanz die „Synthese“.

Zunächst wurden Gebirgs- und Gipfeleinheiten (Elevation Units / EU) bestimmt. Um richtige Gipfel von Gratpunkten (Beispiel: Stecknadelhorn/ P = 25 m) und Schultern (Beispiel: Montblanc de Courmayeur/ P = 18 m) zu unterscheiden, wurde eine Grundzahl gesucht. Der Autor entschied sich 1991 für die klassische Seillänge in den Alpen , nämlich 30 Meter bei über 4000 Meter Meereshöhe. Die Vorarbeit von Richard Goedeke in seinem mehrfach aufgelegten Buch „Die Normalwege aller 4000er“, in dem er als „Zahlenspiele“ alle „Schartentiefen“ der 4000er auflistet, kam dem Autor sehr entgegen.

So wurden also alle Punkte mit mehr als 30 Meter Schartentiefe „kleine Nebengipfel“ (Beispiel: Aiguille du Jardin/ P = 37 m). Bei doppelt soviel Schartentiefe benutzte der Autor die Bezeichnung „großer Nebengipfel“ (Beispiel: Hohberghorn/P = 77 m) und der von Dyhrenfurth eingeführte Begriff „relativ selbständiger Hauptgipfel“ wurde bei drei „Klassischen Seillängen“ benutzt (Beispiel: Lauteraarhorn/P = 128 m). Wiederum das Doppelte ergab dann „grosse Hauptgipfel“ (Beispiel : Pollux/P = 247 m) und bei zehn „klassischen Seillängen“ erschien dem Autor die Definition „Berg“ nun unumstritten. Im Bereich der 4000er war also 7,5 % OD das „Berglimit“. Auch hier wurde zunächst eine Verdoppelung für Gruppen-Oberhäupter bestimmt. (Später wurde durch neue Vergleiche 7 % OD als definitives „Berglimit“ erkannt .)  

Der Autor sah es als interessante Fügung, als er feststellte, das er intuitiv nach den jeweils höchsten Zahlen der Reihen im „Pascalschen Dreieck“ (1,2,3,6,10,20) eingeteilt hatte, das heißt, diese für völlig andere mathematische Berechnungen benutzte Pyramide hat z. B. in ihrer sechsten Reihe als höchste Zahl die 20. Hier wurde zunächst die Bezeichnung PASCAL 1,2,3 etc. angewandt. Da aber der Begriff „Pascal“ auch anderswo Anwendung findet, entschloss sich der Autor, die Bezeichnung „Dreiecksreihe“ (Triangle-Line = TL) zu verwenden und die höchste Zahl dieser Reihen als Multiplikator (M) zu bezeichnen. Das wurde später bewusst auf die Gebirgseinheiten ergänzt (nächste höchste Zahlen im erwähnten Dreieck = 35, 70, 126). Hier wurde es ungleich komplizierter, gleichwertige Richtlinien und Bezeichnungen zu finden. Zunächst wurden alle Berge, die eine Gebirgseinheit „beherrschen“, „SUPREME MOUNTAINS“ (SM) genannt (Supreme = Oberhaupt, als Steigerung zum englischen „Main“ = Haupt). Der Autor wollte „Super“, „Mega“, „Ultra“ und „Giga“ vermeiden und stattdessen eben SM-Einheiten A-D den Gipfeleinheiten A-D entgegensetzen, um das Ganze „stimmiger“ zu gestalten. Die größten Gebirgsansammlungen der Erde kann man durchaus als Komplexe bezeichnen. Diese großen Komplexe (z. B. Alpen, Anden und ganz Hochasien = SMA) zerfallen in einige Systeme. Diese Systeme (= SMB) haben viele Ketten und diese Ketten (= SMC) gliedern sich in einzelne Gruppen und Massive (= SMD). Es gibt weltweit viele irreführende Bezeichnungen, die auf unterschiedliche Einheiten angewandt werden (Region, Section, Division, Zone und andere). Durch diese einheitlichen orographischen Benennungen können alle Missverständnisse ausgeräumt werden. Auch hier ergab die fortgeschrittene vergleichende Systematik Subeinheiten, die in der Mitte der Standardmultiplikatoren angesiedelt wurden (Beispiel: Subkomplex/8,5 TL = SMA2).

ERHEBUNGSEINHEITEN-TABELLE

a) SUPREME MOUNTAINS*

b) MOUNTAINS, PEAKS AND POINTS

*merke: alle Supreme Mountains sind auch A1

a)

 

EU

  TL MOD / %
SMA1COMPLEX9,0126,088,20
SMA2SUBCOMPLEX8,598,068,60
SMB1SYSTEM8,070,049,00
SMB2SUBSYSTEM7,552,536,75
SMC1RANGE, AREA7,035,024,50
SMC2SUBRANGE, -AREA6,527,519,25
SMD1GROUP, MASSIVE6,020,014,00
SMD2SUBGROUP, -MASSIVE5,515,010,50
     
     
b)    
     
A1SUPREMEMOUNTAIN5,515,010,50
A2MOUNTAIN5,010,07,00
B1MAJOR MAIN-PEAK4,06,04,20
B2MINOR MAIN-PEAK3,03,02,10
C1Major Sub-Peak2,02,01,40
C2Minor Sub-Peak1,01,00,70
D1Major notable Point0,50,50,35
D2Minor notable Point0,00,00,00

Zum Hochrechnen für höhere und niedrigere Gebirge waren die später erklärten Höhenklassen notwendig. Daraus wurde eine aufwendige, komplizierte Tabelle konstruiert, die für jede Höhenklasse andere Erhebungseinheitslimits angab, bis der Autor die Idee hatte, proportionale Prominenz für alle Berge gleich zu berechnen. Durch die Höhenklassen konnten nun auch niedrigere Gebirge mit grosser Dominanz von höheren separiert werden. Das Einteilungssystem wurde zunächst an den Alpen entwickelt. Es ergaben sich jedoch später Sonderfälle, die das System nicht in Frage stellen, sondern ergänzen. Zum Beispiel hat jeder Inselhöchste 100 % OD und deshalb gehören Inselhöchste in eine Sonderkategorie. Auch isolierte Küstengebirge und fast abgeschnittene Halbinseln sind ausserhalb der „Standard-Gebirge“ einzuordnen.  Ebenso Berge um Depressionen, bei denen der Sockel unter Meereshöhe liegt, sollten wohl gesondert eingeteilt werden. Es gibt auch an vielen Stellen unseres Planeten isolierte Berge, Massive und Ketten mit aussergewöhnlich grossen Dominanzen. Hier sind zur geomorphologischen Anpassung besondere Bezeichnungen notwendig, extremes Beispiel : „Berg mit Komplex-Dominanz“, die Klassifizierung bleibt trotzdem SUPREME MOUNTAIN-Einheit A, entspechend der orographischen Dominanz.

Die Höhenklassen (Altitude Class / AC) nach traditionellen Dezimalgrenzen zu bestimmen (Meter oder Fuss) erwies sich als ungeeignet, da vor allem viele „gleichwertige“ Berggruppen durch Tausendergrenzen nicht wirklich gleichwertig behandelt werden. Beim beliebten „Dreigestirn“ Eiger, Mönch und Jungfrau wird der „Nichtviertausender“ sogar immer zuerst genannt. In Hochasien sind Annapurna II oder Distaghil Sar wenig populär, obwohl sie ähnliche „Giganten“ sind, wie Annapurna I oder Manaslu, doch bisher zählt nur die aus den Zufälligkeiten des metrischen Systems abgeleitete „magische“ 8000. Bei den 14000ern in den USA gibt es ähnliche Ausklammerungen. Der Autor suchte dann nach einer Möglichkeit, die natürlichen Abstufungen in Gebirgen erkennen zu können. Nachdem viele Längenmasse durch viele Vergleiche ausprobiert wurden, fand der Autor ein chinesisches Streckenmass ( 1 LI = 644,4 m), welches bei den ersten Vergleichen „funktionierte“ und irgendwie den Bergen gerechter wurde. Hier muss nun erklärt werden, dass das Ganze eine grosse Mosaikarbeit ist und erst durch immer mehr Vergleiche ein Gesamtbild entsteht. Die Gebirge sind vielfältig bis aussergewöhnlich , sodass es aussergewöhnlicher „Findungen“ und Methoden bedarf, um ein für alle Berge gleichwertiges Einteilungssystem bestimmen zu können.

Es wurden nun 14 Höhenklassen bestimmt (AC 0 – AC 13). Für statistische Zwecke , aber auch als Limits von Besteigungsserien sind die Halb- oder Semiklassen (ASC) gedacht (H bedeutet HIGH, L = LOW). Die zusammengefassten Dominanzklassen (DC) erscheinen dem  Autor besonders für grosse orographische Abstufungen, aber auch für internationale Besteigungsserien sinnvoll ! Die unterste „Dominanzklasse“ beinhaltet „nur“ Hügel (= unter 645 m). In unserem „Standard-Komplex“ Alpen kann man alle Ketten unter 1934 m Maximalhöhe als „Low Mountains“ (deutsch niedrige Gebirge) und somit auch als „Voralpen“ („Pre-Alps“) ansehen. Die Dominanzklasse 3 hat der Autor „High Mountains“ benannt, weil etwa bei dieser Höhe in den Alpen und auch in der Tatra das Hochgebirge anfängt. Die Alpen sind als Namensgeber für die nächsthöhere Dominanzklasse wohl am Besten geeignet. In diese Dominanzklasse fallen auch die Rocky Mountains und auch das Altai - System in Asien. Die Kontinental- und Subkontinentalbestimmungen, auf die noch später eingegangen wird, gaben der DC 4 den Namen. Die fünf Kontinente und die zwei Subkontinente haben ihre Kulminationen in dieser oder einer höheren Dominanzklasse. Die höchsten drei Dominanzklassen bedürfen wohl keiner näheren Erklärung. Auch die wohl etwas „reisserische“ Bezeichnung der obersten Klasse hat durchaus ihre Berechtigung. Hier befinden sich nur die fünf höchsten Berge der Welt, die sogenannten „Grossen Achttausender“. Die nachfolgende Tabelle ist  von unten nach oben zu „erklettern“. Die Bezeichnungen für jede einzelne Höhenklasse sind hier eingeklammert und nur als Vorschläge zu sehen.

HÖHEN- UND DOMINANZKLASSEN (AC und DC )

DCNAMEMETERFEETLIACASC
  87002854113,513H
7DEATH ZONE83772748413,013L
  80552642712,512H
 (HIGH HIMALAYAS)77332537012,012L
  74112431311,511H
6HIGH ASIA70892325611,011L
  67662219910,510H
 (HIGH TIEN SHAN)64442114210,010L
  6122200859,59H
5HIGH ANDES5800190289,09L
  5478179708,58H
 (HIGH AFRICA)5156169138,08L
  4833158567,57H
4CONTINENTAL (HIGH CAUCASUS)4511147997,07L
  4189137426,56H
 (HIGH ALPINE)3867126856,06L
  3545116285,55H
3ALPINE (HIGHER STANDARD)3222105715,05L
  290095144,54H
 (LOWER STANDARD ALPS)257884574,04L
  225674003,53H
2HIGH MOUNTAINS (LOWER ALPS)193463433,03L
  161152852,52H
 (PRE-ALPS)128942282,02L
  96731711,51H
1LOW MOUNTAINS (HIGH BRITAIN)64521141,01L
  32310570,50H
0HILLS (LOWER BRITAIN)000,00L

 

Erhebungsgleichwertigkeit

 

Grundsätzlich verschwinden durch dieses neue Einteilungssystem, das der Autor „Elevation Equality“ (Erhebungsgleichwertigkeit) genannt hat, die Gebirgszerstückelungen an politischen Grenzen. Man sollte den SUPREME MOUNTAINS ihr Territorium genauso wenig streitig machen, wie einem Flusslauf, der auch sehr oft durch einige Länder fliesst, und trotz verschiedener Namen anerkannt derselbe Fluss bleibt. Den genau bestimmten Wasserscheiden sollten genau bestimmte Land- oder Gebirgsscheiden gegenüberstehen. Erst dann ergibt das ein perfektes orographisches Mosaik. Anders gesagt: Grosse Flüsse haben ihr Einzugsgebiet, dasselbe sollte man auch den „Oberhauptbergen“ zugestehen. Xavier Eguskitza und der Autor sind derselben Meinung darüber, dass sich Flussläufe und Gebirgszüge ergänzen und hier eine gewisse, nicht durch Menschen beeinflusste, und dadurch wertfreie, Hierarchie besteht.

 

Um das Ganze anschaulicher zu machen, sind hier nun einige Beispiele, die besonders heraustreten. Fangen wir mit der untersten Höhenklasse an. Es gibt die sogenannte „Sächsische Schweiz“ und die „Böhmische Schweiz“. Beide werden zwar wegen ihrer geologisch-petrographischen Beschaffenheit und des daraus folgenden Landschaftscharakters über die Elbe hinweg benannt. Vom rein orographischen Standpunkt betrachtet, „gehören“ jedoch beide westelbischen Teile zum Erzgebirge und beide ostelbischen zum Lausitzer Gebirge, welches bereits Teil des Sudetensystems ist. Hier war bei der Benennung die politische Grenze wichtiger als die natürliche Trennung durch die Elbe. Die Eifel und die Ardennen sind orographisch eindeutig Teile eines Gebirges und nur die politische Grenze hat hier zwei bekannte Gebirgsnamen hervorgebracht. Auch die über den Rhein hinwegreichende geologische Bezeichnung „Rheinisches Schiefergebirge“ ist orographisch völlig unlogisch. Die Verbindung zum weit entfernten Massif Central ist wesentlich direkter.

 

Ernst Höhne bemerkt in seinem 1993 erschienenen Buch „1000 Gipfel der Alpen“ (Weltbild Verlag, ISBN 3-89350-388-9): „Für den Mond gibt es Karten und einheitliche Benennungen , nicht jedoch für unsere Alpen! Denn immer noch werden geologische, lokale, politische und willkürliche Systeme der Grenzziehung nebeneinander und sogar gleichzeitig angewandt. Das...einzig brauchbare...kann allein das geographische sein. Alle anderen sind - ganz deutlich ausgedrückt - unbrauchbar.“

 

Nun, das hat sich der Autor sehr zu Herzen genommen und dieses rein geo- (besser: oro-)graphische Einteilungssystem entwickelt, um damit auch die Alpen neu und diesmal erkennbar definitiv einteilen zu können, nachdem er realisierte, dass es tatsächlich etliche verschiedene Einteilungen gibt. Der Autor fragt sich nun , ob es Bergsteiger gibt , die den dominantesten „Monarchen“ der Alpen schon ihre Aufwartung gemacht haben. In der folgenden Europa-Dominanz-Tabelle sind einige der wichtigsten SMA- und SMB- Berge enthalten. Auch dem Ätna sollte man, auch wenn er „nur“ zu den Inselhöchsten zählt, einen Besuch innerhalb einer solchen Serie abstatten. Beachtenswert ist auch, dass die Marmolada „Königin“ der (West)-Dolomiten und der Antelao „König“ der (Ost)- Dolomiten genannt werden. Durch das System ergibt sich tatsächlich eine „Gleichwertigkeit“, die diese Betitelungen rechtfertigt. Es wäre eine Überlegung wert, Begriffe für die vier SUPREME MOUNTAINS – Kategorien zu finden, die im schon oft historisch angewandten Monarchiegebiet zu Hause sind. Die nächste Tabelle zeigt nun die Top-Dominanzen Europas in den Dominanz-Klassen „ALPINE“ und höher:

 

 HÖHE    
BergmftPODLAND
ÄTNA3323109023323100,00ITALIEN
MONT BLANC480815771469597,65FRANKREICH
MULHACÉN347911424328594,42SPANIEN
ANETO340411168281282,61SPANIEN
GROSSGLOCKNER379812460242363,80ÖSTERREICH
MARMOLADA334310965213163,75ITALIEN
WILDSPITZE376812375226160,01ÖSTERREICH
PIZ BERNINA404913284223455,17SCHWEIZ
HAUTE CIME325710686179655,14FRANKREICH
MONTE VISO384112602207553,68ITALIEN
FINSTERAARHORN427414022226953,35SCHWEIZ
ANTELAO326310705173453,14ITALIEN
ORTLER390512811195350,01ITALIEN
BARRE DES ÉCRINS410213455204549,85FRANKREICH
PRESANELLA355811667167647,11ITALIEN
DUFOURSPITZE463415203216546,72SCHWEIZ
GRAN PARADISO406113323187346,56ITALIEN
Piz Kesch341811213150444,00SCHWEIZ
Tödi361411856157043,44SCHWEIZ
Dammastock363011909146540,36SCHWEIZ

 

Das nächsthöhere Beispiel ist in Nordamerika. McKinley und Logan sind sehr deutlich voneinander getrennt, doch innerhalb des Logan-Komplexes ist die Systemtrennung aus politischen Gründen falsch. Der Mount Bona in Alaska ist der höchste Berg eines Subsystems, das zum Logan-Complex zuzurechnen ist aufgrund des höheren Verbindungsgrates. Dadurch wird klar, das der Mount Blackburn alleiniger „Herrscher“ des Wrangell-Subkomplexes ist. Die nachfolgende Tabelle zeigt deutlich die Erhebungseinheitsunterschiede bei Bona (41,70 % OD) und Blackburn (70,72 % OD).  

 

MOUNTAIN EUALT/ftALT/mP/ftP/mOD 
McKinley20321619420223616499,19SMA1
Tajumulco13816421113061398194,54SMA1
Rainier14410439213210402691,67SMA1
Logan19524595117515533889,70SMA1
Orizaba18409561116069489887,29SMA2
Fairweather15300466312971395484,78SMA2
Hayes13832421611482350083,01SMA2
Waddington13261404210899332282,19SMA2
Marcus Baker13176401610726326981,41SMA2
Robson1297239549255282171,35SMA2
Blackburn16390499611590353370,71SMA2
Whitney14491441710071307069,50SMA2
Shasta1416243179762297568,93SMA2
Elbert1443343999073276562,86SMB1
St. Elias18008548911233342462,38SMB1
Colima1398042618480258560,66SMB1
Lucania1714552269977304158,19SMB1
Wheeler1306339827563230557,90SMB1
Vancouver1598148719222281157,71SMB1
Popocatepetl17930546510230311857,06SMB1
Crillon1272638797126217256,00SMB1
Cook1376041947660233555,67SMB1
Hubbard1495045578142248254,46SMB1
Cloud1316740137067215453,67SMB1
Gannett1380442087074215651,25SMB1
White Mtn.1424643427196219350,51SMB1
Peale1272138776161187848,43SMB2
Grand Teton1377041976530199047,42SMB2
Sanford1623749497637232847,03SMB2
Kings1352841236348193546,92SMB2
Toluca1535046796850208844,63SMB2
Natazhat1343540955935180944,18SMB2
La Malinche1464044626140187141,94SMB2
Foraker1740053037200219541,38SMB2
Bona1650050296800207341,21SMB2
Wrangell1416343175563169639,28SMB2

 

Kommen wir nun zum „höchsten“ Fall von unlogischer Einteilung. Zu finden ist dieser in Hoch-asien im sogenannten Karakoram . Der westliche Teil dieses willkürlichen „Systems“ ist tatsächlich laut „offizieller“ Einteilung mit dem restlichen Teil nicht einmal verbunden. Die Ghujerab Mountains im Norden des Hispar Muztagh „gehören“ zum Karakoram, aber alle Verbindungsketten zum Batura Muztagh kurioserweise nicht. Hier ist wohl die am meisten von „Traditionen“ abweichende Neugliederung nötig. In der folgenden Tabelle sind alle Berge und Hauptgipfel über der AC 12 – Grenze mit den aktuellsten Höhen verzeichnet. Die SUPREME MOUNTAINS sind hier nur mit A1 kategorisiert und die „relativ selbständigen Hauptgipfel“ sind kursiv.  

 

KNAMEALT/mALT/ft P/mEUOD
1EVEREST884829028 8848A1100
2K 2861128250?4201A148,79
3KANGCHENJUNGA858628168?4086A147,59
4LHOTSE851627940 610A27,16
5MAKALU848527838 2311A127,24
6CHO OYU818826864 2199A126,86
7DHAULAGIRI I816726795c3550A143,47
8MANASLU816326780c2800A134,30
9NANGA PARBAT812526657 4595A156,55
10ANNAPURNA I809126545 2992A136,98
11GASHERBRUM I808026509 2155A126,67
12BROAD PEAK805126414 1561A119,39
13GASHERBRUM II803426358 1523A118,96
14SHISHA PANGMA802726336c2800A134,88
15ZHONGYANG801126283 181B22,26
16GYACHUNG KANG795226090 602A27,57
17GASHERBRUM III794626070 355B14,47
18ANNAPURNA II793726040 2447A130,83
19GASHERBRUM IV793226024 712A28,98
20NGOZUMPA KANG I791625970 170B22,15
21HIMALCHULI I789325895c1500A119,00
22DISTAGHIL SAR788525868 2515A131,90
23NGADI CHULI787125823c1200A115,25
24NUPTSE786425801 319B24,06
25KUNYANG CHHISH I785225761c1600A120,38
26MASHERBRUM782125660 2457A131,42
27NANDA DEVI I781625645c3000A138,38
28CHOMO LÖNZO I780425604 590A27,56
29BATURA SAR I779525574?3092A139,67
30RAKAPOSHI778825550 2637A133,86
31NAMCHA BARWA I778225531c3732A147,96
32KANJUT SAR I776025460c1200A115,46
33GASHERBRUM II E775825453 170B22,19
34KAMET775625447 2687A134,64
35DHAULAGIRI II775125429 2417A131,18
36NGOZUMPA KANG II774325403 186B22,40
37SALTORO KANGRI774225400 2042A126,38

 

Wenn nun die relative Selbständigkeit der Nummer 15 anerkannt werden sollte, was die Chinesen unterstrichen haben, in dem sie dem „Broad Peak Central“ einen Namen gegeben haben, ist Jerzy Kukuczka der einzige , der alle 15 8000er bestiegen hat. Auch Günter Oskar Dyhrenfurth meinte, das durch die recht tiefe Scharte dieser Gipfel als einziger aller 8000er-„Nebengipfel“ eine gewisse Eigenständigkeit besitzt.

 

Mit all diesen Vorschlägen möchte der Autor dazu anregen , neue und interessante Perspektiven für die Geographie und den Bergsport im neuen Jahrtausend zu verfolgen. Allerdings muss nun auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass dieses neue Orographie-Weltbild Unterstützung und Förderung braucht. Es wäre durchaus wünschenswert, ein internationales Zentrum einzurichten, in dem sich Interessenten und Mitarbeiter ergänzen und austauschen können, ähnlich, aber umfangreicher als eine E-Mail-Group. Es könnten sich internationale Geographen und Bergsteiger dafür einsetzen, um dieses System weltweit vorzustellen, zu diskutieren und nach Erkennen aller Möglichkeiten und Vorteile sogar durchzusetzen. Man bedenke, das die meisten anderen exakten Wissenschaften weltweit einig sind mit ihren Kategorien und Bezeichnungen. Für die genauere Erfassung und Kategorisierung der Oberflächenformen wäre ein orographisches Zentrum sicher erwünschenswert. Universitäten und Schulen könnten aufmerksam gemacht werden, denn jeder Mitarbeiter wäre willkommen. Viele Prominenzen sind noch zu finden, andere brauchen Verifizierung und viele neueste topographische Karten sind einzusehen und auszuwerten. Eine schöne Aufgabe für kommende Geographen, professionell oder auf Hobbybasis.

 

Für den Tourismus ergeben sich aus den hier entwickelten Überlegungen neue interessante Aufgabenstellungen, z. B. für Bergsteiger neue lokale, kontinentale und globale Besteigungsserien von Bergen oder auch Wander- und Trekkingtouren zu als orographisch bedeutsam erkannten Pässen. Ihre Statistik könnte auch von den Geographen und Bergsteigern des „Globalen Orographischen Forschungszentrums“ geführt werden. So könnten schlussendlich die Geister des Bergsteigens und der Geographie wieder Hand in Hand gehen . Moderner ausgedrückt: Tourismus und Orographie könnten sich wechselseitig Impulse geben!

 

© 2001 Eberhard Jurgalski & 8000ers.com